Blutegeltherapie
Geschichtliches
Die Blutegeltherapie hat eine über 2000-jährige Tradition und findet in unserer Zeit wieder Anwendung, da man ihre Wirkungen genauer untersucht hat und sich von den vielseitigen Therapiemöglichkeiten in verschiedenen Studien überzeugen konnte. Sie gehört zu den ältesten Ausleitungsverfahren. Bei dieser Therapieform wird ein lokaler Aderlass mit Hilfe eines Blutegels durchgeführt. Dabei saugt der Blutegel bis zu 15 Milliliter Blut und es kommt durch Nachbluten in den nächsten 24 Stunden zu einem weiteren Blutverlust von 20 bis 40 Milliliter.
Die Wirkung der Blutegeltherapie
Wirksubstanzen:
HIRUDIN, EGLIN, BDELLIN, CALIN, HYALURONIDASE, HEMENTIN, HAEMADIN, ANTISTATIN, GHILANTENE, HEMENTERIN, ORGELASE, ORNATIN, APYRASE, KOLLAGENASE, DESTABILASE, PIYAVIT u. a. Substanzen.
Der Name HIRUDIN ist abgeleitet von Hirudo medicinalis = medizinischer Blutegel. Es sorgt für die Hemmung der Blutgerinnung als selektiver Thrombinantagonist. Es wirkt lymphstrombeschleunigend, diuretisch, antibiotisch und durch lokale Gefäßerweiterung antispasmodisch. Bei dem ca. 30-minütigen Saugakt ist es natürlich notwendig, die Wunde offen und das Blut fließfähig zu halten.
EGLIN hemmt lysosomale und bakterielle Verdauungsproteasen, die besonders bei entzündlichen und traumatischen Prozessen frei werden. BDELLIN hemmt Plasmin, ein fibrino-lytisches Enzym. CALIN hemmt ebenfalls die Blutgerinnung. Bewirkt nun im Anschluss an das „schnelle“ Hirudin die ca. 12 Stunden dauernde Reinigung der Wunde durch Nachbluten. Es kommt zu dem bekannten, sanften Aderlass. Währenddessen tritt der „Ausbreitungsfaktor“, die HYALURONIDASE, in Aktion: Der Weg für die wirksamen (und heilsamen) Substanzen wird vorbereitet. Eine antibiotische Eigenschaft der Hyaluronidase ist umstritten. Eine wahrscheinlich histaminähnliche Substanz (vielleicht ist es auch Acetylcholin) wirkt gefäßerweiternd: Das Blut strömt zu der „gebissenen“ Stelle.
HEMENTIN und ORGELASE haben eine hyperämisierende und durchblutungsfördernde Wirkung. Sie tragen zur Retraktion von Blutgerinnseln bei. APYRASE, KOLLAGENASE wirken mit unterschiedlichen Mechanismen bei der Gerinnungshemmung mit. Darüber hinaus haben einige dieser Substanzen entzündungshemmende und weitergehende Eigenschaften.
Außerdem gibt es noch DESTABILASE, PIYAVIT und andere Substanzen, die die natürliche Wirkstoffkomposition abrunden. Zusätzlich gibt es eine Substanz, die zur Analgesie während des Saugvorgangs führt. Alle freigesetzten Wirkstoffe blockieren die überschießenden enzymatischen Vorgänge bei Entzündungen und wirken dadurch antiphlogistisch. Wissenschaft und Pharmaindustrie haben seit langem erkannt, was die Evolution für einen komplexen und wunderbaren Wirkstoffcocktail mit dem Blutegelspeichel hervorgebracht hat, der in geradezu „genialer“ Weise in die komplizierte Gerinnungskaskade des Blutes eingreift. Da Blut in irgendeiner Weise immer mit allen Erkrankungen zusammenhängt, haben Blutegel durch den Aderlass und ihre Wirkstoffe einen breiten Indikationsbereich.
Der Blutegel gibt viele verschiedene Enzyme beim Saugakt (z. B. Hirudin, Bdellin, Eglin) an den Patienten ab und diese wirken:
- antiphlogistisch
- schmerzlindernd bis zur Analgesie
- durchblutungsfördernd
- Lymphstrom erhöhend
- antispasmodisch
- durch den nachfolgenden Flüssigkeitsersatz aus dem Gewebe wird das Blut dünnflüssiger
- antibiotisch
- durch die lokale Gefäßerweiterung krampflösend
Physiologie des Blutegels
Der Blutegel ist 2 bis 4 cm lang, hat drei Kiefer mit scharfen Zähnen. Sie sind nicht gierig: Eine Mahlzeit genügt für 1 bis 2 Jahre. Sie besiedeln nur reinstes Wasser. Sie sind schön: Ihre Rückenzeichnung ist einmalig, ihr eleganter Schwimmstil gleicht dem eines Delphins. Ein Blutegel saugt, je nach Größe, 20 bis 50 ml Blut, durch die Wunde fließt etwa die gleiche Menge beim Nachbluten ab. Infolge der ziehharmonikaartig gefalteten Haut ist der Egel in der Lage das 6- bis 10-fache seines Volumens aufzunehmen. Die Züchtung der Egel erfolgt in Zuchtfarmen Der Blutegel vermehrt sich in dem sie ihre Eier in Kokons in Ufernähe ablegen Man füttert die heranwachsenden Egel mit Schweineblut, was zum Teil sehr schwierig ist, unter anderem, weil sie auch kannibalische Verhaltensweise zeigen. Wenn sie 2 bis 3 Jahre alt sind und zwischen 2 und 4 g wiegen, werden sie in der Therapie eingesetzt. Stammesgeschichtlich sind die Blutegel sehr alt – ca. 650 Millionen Jahre! Sie leben bis zu 30 Jahren! Die Biebertaler Blutegelzucht führt viele Untersuchung über das Verhalten der Egel durch. Sie reinigen die von ihnen gesetzte, sternförmige Wunde Die Egel bevorzugen Punkte der Fülle, d. h. Punkte, wo sich das Qi staut, wo eine Blutstagnation oder Blutstase vorliegen. Vorteil: Man kann sie auch dort ansetzen, wo die Akupunkturnadel zu schmerzhaft für den Patienten wäre, oder an infizierten oder stark kontaminierten Stellen.
(Quelle: www.tierarztpraxis-dr-hohmann.de)
Blutegelanwendung
Der Blutegel wird auf die rasierte Hautstelle angesetzt, die zuvor mit einem Skalpell leicht angeritzt wurde, damit ein Blutstropfen aus der Hautstelle tropft. Dadurch beißt der Blutegel besser. Der Egel saugt im Durchschnitt zwischen 20 bis 60 Minuten. Am besten liegt der Patient dabei unter Rotlicht, da der Blutegel bei Wärme schneller saugt. Danach fällt er selbst von der Bissstelle ab. Aufgrund der blutverdünnenden Wirkung kann es zu beträchtlichem Nachbluten über mehrere Stunden kommen. Aus diesem Grund ist ein saugfähiger Verband für 12 bis 24 Stunden anzulegen.
Hauptindikationen:
- Arthrose (direkt am Gelenkspalt ansetzen), traumatisch bedingte Arthritis
- Hüftgelenkdysplasie, Spondylitis
- Tendovaginitis, Tendomyopathie, Bursitiden
- Pneumonie, Asthma bronchiale
- Lumbalgien, akute Diskopathie, Dackellähme
- entzündliche Erkrankungen des Ohres, wie z. B. Otitis media acuta et chronica
- Mastoiditis, Tinnitus
- entzündliche Erkrankungen der Nase und der Kehle, wie z. B. Sinusitis, Tonsillitis
- Othämatome, periaurale Hämatome, Hämorrhoidalleiden
- bei neurologischen Erkrankungen wie Cauda equina
- immun-assoziierte akute und chronische Veränderungen an der Maulschleimhaut
- Geschwüre im Maulbereich der Katze
- Erkrankungen der Speicheldrüsen, wie z. B. Sialadenitis und Sialadenose
- Behandlung von Entzündungen und peripheren venösen und arteriellen Erkrankungen: reitende Sattelthromben bei der Katze
- venöse Thrombose der Beine, besonders post Op. Thrombophlebitis
- beim Lymphstau nach Kastration im Skrotum (Skrotalödem) des Hundes
- infektiöse Wunden (nicht eitrige Wunden)
- Wundheilungsstörungen, besonders bei alten und/oder immungeschwächten Tieren
- klinische Formen von Dermatitis oder Dermatose, wie z. B. beim Ekzem, Panaritium, Leckdermatitis
- Hufrehe (Ansatz direkt am Kronsaum), Spat
- Nackenbeule
- Hypercholesterinämie
- koronare Durchblutungsstörungen
- auf spezielle Akupunkturpunkte gesetzt, ist die Wirkung noch besser
- in der Humanmedizin werden die Blutegel auch in der plastischen und rekonstruktiven Chirurgie eingesetzt sowie bei: Rheuma, Herpes Zoster (Gürtelrose), Varikosis, Furunkel und Karbunkel, Nebenhöhlenentzündungen, Mandelabszess, Adnexitis, Parametriti, Brustdrüsenentzündung, Gallenblasenentzündung, Hodenentzündung, Depressionen, Hypertonie, Hyperthyreose, Apoplexie, Angina pectoris
Kontraindikationen:
- Ekel vor der Behandlung
- hämorrhagische Diathese
- anämische Patienten (Abwägen! Notwendig: Hb-Bestimmung, evtl. Bluttransfusion)
- Leukämie
- FIV- und FIP-Katzen (immungeschwächt)
- arterielle Verschlusskrankheiten, diabetische Mirkoangiopathie
- Diabetes melitus
- Fieber, fieberhafte Erkrankungen
- Hauterkrankungen an der Biss-Stelle
- blutverdünnende Medikamente
- maligne Tumorerkrankungen
- Magengeschwüre (Blutungsneigung)
- schlechter Allgemeinzustand oder Kachexie
- fortgeschrittene Lebererkrankungen u. a. schwerwiegende Organerkrankungen
- Erysipel
- Narbenbildung an der Biss-Stelle
- allergische Reaktion gegen Hirtudin, diese können sofort oder innerhalb der ersten 4 Tage nach der Therapie auftreten